Europäische Rechtsformen
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Haftungsgefahren bei Ltd, SARL/EURL, SLNE

Neben der Anwendbarkeit deutscher Haftungsgrundsätze können auch spezifische Haftungsgefahren nach dem Recht des jeweiligen Gründungsstaates bestehen. Diese sind für die jeweilige Rechtsform sorgfältig zu recherchieren und abzuwägen. Im Folgenden sollen einzelne Hinweise auf mögliche Haftungsgefahren bei den Rechtsformen der britischen/nordirischen Ltd, der französischen SARL/EURL und der spanischen SLNE gegeben werden (die Darstellungen sind jedoch nicht vollständig und ersetzen keinesfalls eine adäquate Rechtsberatung!).

Bei der Ltd bestehen mehrere spezifische Pflichten für den Geschäftsführer, so z.B. durch:

  • „Fiduciary duties“: An die Funktion des Geschäftsführers sind verschiedene „treuhänderische“ Pflichten bei der täglichen Betriebsführung geknüpft, wie z. B. die uneingeschränkte Loyalität gegenüber der Gesellschaft. Dies bedeutet auch, dass der Geschäftsführer immer „im Sinne der Gesellschaft“ handeln muss und vielfältige Haftungstatbestände in Hinblick auf einen Interessenkonflikt auslösen kann (z. B. überhöhtes Gehalt, bevorrechtigte Zahlung von Pacht an sich selbst, usw.).
  • „Wrongul trading rule“ (Sec. 214 Insolvency Act 1986): Der Geschäftsführer hat alle Maßnahmen zu unternehmen, die zu einer Abwendung einer Insolvenz und zur Minimierung des Schadens für Gläubiger führen.
  • „Fraudulent trading rule“ (Sec. 213 Insolvency Act 1986): Bei drohender Insolvenz müssen Gläubigerinteressen vom Geschäftsführer berücksichtigt werden.

Zudem sind unter Umständen besondere Kapitalerhaltungsregeln zu beachten. So besteht nach britischem Recht z. B. ein Verbot der Kapitalherabsetzung oder des Verkaufs von Gesellschaftsanteilen an einen Dritten bzw. an Gesellschafter (Sec. 151 Companies Act 1985).
Eine Missachtung dieser Pflichten kann eine Disqualifizierung („disqualification“) des Geschäftsführers nach sich ziehen (Sec. 6 Company Directors Disqualification Act 1986). Der Geschäftsführer darf diese Position dann i. d. R. bis zu fünf Jahre nicht mehr ausüben. Eine mögliche Durchgriffshaftung i. e. S. auf die Gesellschafter („lifting the corporate veil“) ist nach britischem Recht (vgl. vorangegangenen Abschnitt) darüber hinaus z. B. bei Vermögensvermischung oder materieller Unterkapitalisierung möglich.

Bei der französischen SARL, bzw. EURL bestehen grundlegend verschiedene Haftungstatbestände hingegen kaum. Vielmehr sind die französischen Haftungsgrundlagen dem deutschen Recht sehr ähnlich, was daran liegen mag, dass die SARL fast 30 Jahre nach dem deutschen GmbH-Recht in das französische Gesellschaftsrecht eingefügt worden ist und sich dabei an deutschem Recht orientiert wurde.
So kann auch nach dem französischen Gesellschaftsrecht eine Durchgriffshaftung bei Unterkapitalisierung, Vermögensvermischung oder bestandsgefährdenden Handlungen des Geschäftsführers drohen. Diese begründet sich hauptsächlich aus der Pflicht zu einer fehlerfreien Geschäftsführung („faute des gestion“) und der allgemeinen Sorgfaltspflicht („obligation de diligence“). Auf diesen Pflichten beruht auch die Kapitalerhaltungshaftung, die ansonsten nicht ausdrücklich im Handelsrecht erwähnt ist. Der französischen Sorgfaltspflicht („tous les soins d’un bon père de famille“) kann also eine (noch) größere Bedeutung zukommen als der deutschen Sorgfaltspflicht „eines ordentlichen Kaufmanns“ nach § 347 HGB.
Auch eine dem deutschen Recht sehr ähnliche Rechtscheinhaftung ist zu beachten. So können sich z. B. Unternehmen, die einen Hinweis auf die Kapitalausstattung (z. B. als Zusatz zum Firmennamen) oder die Firmierung als Ein-Personen-Gesellschaft (durch die Bezeichnung EURL) unterlassen (z. B. auf dem Geschäftpapier), nicht auf ihre Rechtsfähigkeit als juristische Person berufen.

Die spanische SLNE ist aus rechtlicher Sicht eine Unterform der SL (Sociedad de Responsabilidad Limitada) und besitzt daher keine gesonderten Haftungsregelungen. Vielmehr gelten die gleichen Tatbestände wie bei der SL, die im Ley de Sociedades de Responsabilidad Limitada (LSRL) geregelt sind. Dieses wurde 1953 eingeführt und basiert auf dem deutschen GmbHG. Demzufolge findet auch heute noch eine Orientierung an der deutschen Rechtsprechung und Rechtswissenschaft statt und so sind im spanischen Recht sämtliche deutsche Tatbestandsmerkmale bekannt. Begriffe wie Durchgriffshaftung i. e. S. („levantamiento de velo“) bei Vermögensvermischung („confusión de patrimonios“), Unterkapitalisierung („infracapitalización“) oder Bestandsgefährdung („fraude de ley“) sind also bekannt und ähnlich umstritten wie in Deutschland (siehe hierzu ausführlicher Ausführungen in der Diplomarbeit).
Direkte Kapitalerhaltungsvorschriften bestehen nach spanischem Recht hingegen nicht. Eine Haftung wegen Unterkapitalisierung kann sich nach herrschender Meinung jedoch ergeben, wenn eine Gesellschaft nicht über genügend Mittel verfügt, um den in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand verwirklichen zu können.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die speziellen Haftungsgefahren der britischen/nordirischen Ltd auf einem dem deutschen Gesellschaftsrecht grundsätzlich verschiedenem Recht basieren, wohingegen dieses bei der französischen SARL/EURL oder der spanischen SLNE weitgehend deutschem Gesellschaftsrecht ähnelt. Wem es nicht vorrangig um die Ersparnis einiger hundert Euro Gründungskosten geht, kann somit durch die Rechtsformen SARL/EURL oder SLNE das Risiko der Rechtsunsicherheit (zumindest bezüglich ausländischer Haftungstatbestände) reduzieren und dennoch deutsche Mindestkapitalbestimmungen weitgehend umgehen.

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